Weltweit haben Solar- und Windenergie einen historischen Meilenstein erreicht und erstmals mehr Strom erzeugt als Kohle. Gleichzeitig kämpft Europa mit einer unerwarteten Folge des Erfolgs: Die Stromnetze sind dem rasanten Ausbau nicht gewachsen, was zu Rekordabschaltungen von Windkraftanlagen führt.
Globaler Durchbruch: Solar und Wind überholen die Kohle
Ein neuer Bericht der Denkfabrik Ember markiert einen Wendepunkt in der globalen Energiewende. Im ersten Halbjahr dieses Jahres ist die weltweite Stromerzeugung aus Solarenergie um beeindruckende 31 % gestiegen, während die Windenergie um 7,7 % zulegte. Zusammen produzierten sie über 400 Terawattstunden Strom – mehr als genug, um den gesamten Anstieg des globalen Strombedarfs im selben Zeitraum zu decken.
„Dies ist ein Wendepunkt“, erklärt Malgorzata Wiatros-Motyka, leitende Stromanalystin bei Ember. „Es beweist, dass wir den wachsenden Energiebedarf der Welt decken können, ohne auf mehr fossile Brennstoffe zurückzugreifen.“ Die Studie, die Daten aus 88 Ländern auswertete, zeigt zudem einen leichten Rückgang von unter 1 % bei der Stromerzeugung aus Kohle, Öl und Gas. Experten werten dies als ein starkes Indiz dafür, dass die globalen Emissionen ihren Höhepunkt erreicht haben könnten.
Wachstumsmotoren China und Indien
Der steigende globale Strombedarf wird durch Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Entwicklung sowie die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen, Klimaanlagen und Rechenzentren angetrieben. Maßgeblich für den Erfolg der Erneuerbaren sind vor allem zwei Länder: China baute seine Solar- und Windkapazitäten stärker aus als der Rest der Welt zusammen und konnte seine Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen um 2 % senken. Auch in Indien übertraf das Wachstum von Solar- und Windenergie den Anstieg der Nachfrage, was ebenfalls zu einem Rückgang des Verbrauchs fossiler Energieträger führte.
Europas Dilemma: Rekord-Abregelungen bei Windenergie
Während der globale Vormarsch der Erneuerbaren gefeiert wird, stehen Teile Europas vor einer großen Herausforderung. Weil der Ausbau der Stromnetze nicht mit der schnellen Erweiterung der erneuerbaren Energien Schritt hält, muss immer häufiger die Stromproduktion gedrosselt werden. In den ersten neun Monaten des Jahres verzeichneten Deutschland, Spanien, Frankreich und Süd-Schweden eine Rekordmenge an abgeregeltem Windstrom, wie Daten der London Stock Exchange Group (LSEG) belegen.
Diese als „Curtailment“ bezeichnete Maßnahme wird notwendig, wenn das Netz überlastet ist oder die Strompreise so stark fallen, dass sich der Betrieb nicht mehr lohnt. Die Kosten für diese netzbedingten Abschaltungen werden letztlich oft an die Verbraucher weitergegeben. Spanien erreichte im Mai einen traurigen Rekord, als 19,6 % der Windenergieerzeugung absichtlich gestoppt wurden – dreimal so viel wie im Vorjahresmonat. Frankreich verzeichnete seinen Höchstwert im August mit 11,2 %, während Deutschland im März mit 7,3 % die Spitze erreichte. Diese Entwicklung verdeutlicht die dringende Notwendigkeit massiver Investitionen in die europäische Netzinfrastruktur.